: Ein bisschen wie früher
Auch wenn die Werder-Tormaschine gegen Hansa Rostock ins Stottern gerät, muss mit den Bremern in dieser Saison gerechnet werden. Zu verdanken haben sie das dem Franzosen Johan Micoud
aus Bremen MARKUS JOX
Klaus Allofs ist ein netter Mann, und so sitzt der Sportdirektor des SV Werder Bremen auch nach dem bescheidenen 0:0 seiner Mannschaft gegen den FC Hansa Rostock im Presseraum des Weserstadions und beantwortet mit leiser Stimme und Eselsgeduld selbst die törichtsten Fragen. Allofs sieht dabei noch immer so jungenhaft aus wie zu seiner aktiven Zeit, als er für Fortuna Düsseldorf, den FC Köln und eben Werder Bremen Bälle ins Tor schoss. Nur ist er jetzt eben für die Abteilung Flüstern und Abwiegeln verantwortlich. „Wir haben in dieser Saison eine gute Mannschaft zusammen“, formuliert Allofs also, und das ist für einen wie ihn schon eine verdammt mutige Aussage.
Fast gewinnt man den Eindruck, dass es dem ehemaligen Stürmer ein bisschen peinlich ist, plötzlich so im Rampenlicht zu stehen. Immerhin ist Werder nach dem achten Bundesligaspieltag Tabellendritter, punktgleich mit Meister Dortmund und nur alberne drei Zähler hinter den Bayern. Ist Werder, wie zu goldenen Rehhagel-Zeiten, jetzt der Bayern-Verfolger? Da schaut der nette Herr Allofs doch sehr gequält drein. „Na ja“, kommt es ihm schließlich über die Lippen, „es ist ja auch schön, dass wir diese Schlagzeilen produzieren.“ Das sei doch allemal besser, als – wie in den letzten Jahren – im Mittelfeld herumzudümpeln. Auf der anderen Seite müsse die Mannschaft aber erst lernen, mit so einem Tabellenplatz umzugehen. Und es müsse geradegerückt werden, was machbar sei und was nicht.
Realistisch, so Allofs, sei, dass Werder Bremen in dieser Saison zu den Teams gehöre, „die sich um die Uefa-Pokal-Plätze streiten“. Trainer Thomas Schaaf, das spröde, schnauzbärtige Werder-Urgestein, das noch zurückhaltender ist als Allofs, verpackt dieselbe Ansicht einen seiner trockenen Aphorismen: „Wir dürfen jetzt nicht denken, dass wir jedes Spiel gewinnen.“
Nach dem 8:0-Kantersieg im Uefa-Pokal gegen Metalurg Donezk, floskelte Schaaf in der Pressekonferenz weiter, sei der „Akku“ seiner Spieler gegen Hansa eben nicht mehr so voll, seien diese „im Kopf nicht frisch genug“ gewesen, und im Übrigen müsse man doch auch einmal mit einem Punkt zufrieden sein. „Wir sind heute immer wieder gegen ein dichtes Mauerwerk angelaufen“, sagte der Metaphernschmied, und es sei doch auch ein Erfolg, dass sich seine Mannschaft Chancen erspielt habe, „obwohl das Mauerwerk so dicht war“. Hansa Rostock, immerhin Tabellenfünfter, hatte in Bremen in der Tat ein wirksames, aber unansehnliches Abwehrbollwerk aufgebaut und damit auch im 4. Auswärtsspiel dieser Saison keinen Gegentreffer zugelassen. Torhüter Matthias Schober setzte sich zudem, vor allem in der Schlussviertelstunde, mit schönen Paraden in Szene.
Nach vorne hingegen lief bei Hansa gar nichts zusammen – fast so wie bei Bremens viel gelobtem Sturmduo „Toni“ und „Harry“: Toni, so wird Ailton gerufen, der pausbäckige Brasilianer mit dem stampfenden Antritt, Harry ist Angelos Charisteas, Werders griechischer Neuzugang, der von der Boulevardpresse, kaum hatte er die ersten Tore für Werder geschossen, „Gyros-Bomber“ getauft wurde. Zusammen haben die beiden in der laufenden Saison schon zehn Tore geschossen, nur gegen Rostock hatten Toni und Harry nicht ihren besten Tag: Ailton verstolperte seine wenigen Chancen, agierte zu eigensinnig und fiel durch trotzige Gewaltschüsse auf, während Charisteas abwechselnd rechts und links am Tor vorbeiköpfelte.
Quirlig und emsig agierte hingegen Werders Mittelfeld mit Krisztian Lisztes, den Jung-Nationalspielern Fabian Ernst und Tim Borowski sowie, unübersehbar der Chef auf dem Platz, Johan Micoud. Klaus Allofs hat den 29-jährigen französischen Gelegenheitsnationalspieler ablösefrei vom klammen FC Parma losgeeist. Und auch wenn Micoud, wie gegen Rostock, einmal keine glänzende Partie abliefert, blitzt sein Können doch immer wieder auf: Er schlägt Zauberpässe, leitet kluge Spielzüge ein, holt sich die Bälle tief aus der eigenen Hälfte, schlägt Ecken, schießt Freistöße. Der mannschaftsdienliche Regisseur dirigiert sicherlich kein weißgrünes Ballett, aber er leitet doch eine erstaunlich solide und geschlossene Formation, die die Abgänge von Torsten Frings (zu Borussia Dortmund) und Marco Bode (Vorruhestand) locker verkraftet zu haben scheint.
Zehn Jahre ist es jetzt her, dass Werder zum letzten Mal deutscher Meister geworden ist, aber natürlich ist das derzeit kein Thema an der Weser. Dafür sorgt schon Klaus Allofs – mit all seiner Bescheidenheit.
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